5 Tipps zum Lesen von Partituren
- 29.07.2024
Das Lesen von Partituren kann auf den ersten Blick für Musikerinnen und Musiker einschüchternd wirken. Aber mit etwas Übung und den richtigen Techniken gelingt es, sich schnell einen Überblick zu verschaffen. Unsere fünf Tipps helfen dir zwischen den vielen Stimmen den Durchblick zu behalten.
1. Verstehe die verschiedenen Notenschlüssel
Es gibt drei gebräuchliche Familien von Notenschlüsseln. Während der Violinschlüssel (G-Schlüssel) und der Bassschlüssel (F-Schlüssel) die bekanntesten sind, gibt es noch zwei weitere: den Altschlüssel (C-Schlüssel) und den Tenorschlüssel (C-Schlüssel).
Der Violinschlüssel
Dieser Schlüssel wird hauptsächlich von höheren Instrumenten und der rechten Hand des Klaviers genutzt. Er setzt das G auf der zweiten Linie des Notensystems.
Der Bassschlüssel
Der Bassschlüssel wird für tiefere Instrumente und die linke Hand des Klaviers verwendet. Hier liegt das F auf der vierten Linie des Notensystems.
Der Altschlüssel und Tenorschlüssel
Diese Schlüssel sind besonders bei Streichinstrumenten und einigen Blechblasinstrumenten gebräuchlich. Der Altschlüssel (auch als Bratschenschlüssel bezeichnet) positioniert das mittlere C auf der dritten Linie, während der Tenorschlüssel es auf die vierte Linie setzt.
2. Achte auf die Transposition der Instrumente
Die Tradition, dass Instrumente transponierend notiert werden, rührt aus einer Zeit, als (Blech-)Blasinstrumente noch nicht in der Lage waren, chromatisch zu spielen und deshalb für jede Tonart ein eigenes Instrument oder zumindest ein eigener Stimmbogen benötigt wurde. Um die Spieler nicht zu verwirren, wurden ihre Stimmen immer in C-Dur notiert, damit gleich gegriffene Töne bzw. Grund- und Naturtöne auch immer mit dem gleichen Notensymbol korrespondierten. Das bedeutet, dass die InstrumentalistInnen nach einer „Griffschrift“ spielten, das Transponieren übernahm der Komponist oder das Instrument. Im modernen Orchester hat sich diese Praxis trotz der Weiterentwicklung der Instrumente zur Chromatik eher aus Traditionsbewusstsein teilweise erhalten. Meist wird so notiert, dass möglichst wenige Vorzeichen gelesen werden müssen.
Beispiel: Die Klarinette in B
Wenn eine Klarinette in Bb eine C-Note spielt, klingt diese tatsächlich als B. Daher musst du die Noten für dieses Instrument in einer transponierten Partitur um einen Ganzton nach oben transponieren.
Beispiel: Das Horn in F
Für das Horn in F bedeutet ein geschriebenes C, dass das Instrument tatsächlich ein F spielt. Hier ist eine Transposition von einer Quinte nach oben notwendig.
3. Zwischen den Zeilen lesen
Notation ist ein unvollständiges Produkt, auch wenn durch Begrifflichkeiten wie „Urtext“ der trügerische Eindruck vermittelt wird, dass durch das notierte Material die Vorstellungen des Komponisten für immer fixiert worden seien. Aber was gehört zu den Vorstellungen eines Komponisten? Was genau hat er festgehalten und welche Details fehlen? Aufgeschrieben wird, was im wahrsten Sinne des Worts „bemerkenswert“ ist. Mit anderen Worten: Besonderheiten werden notiert, Selbstverständlichkeiten dagegen eher vernachlässigt.
Was selbstverständlich ist oder war, lässt sich nur aus dem Kontext der jeweiligen Entstehungszeit ableiten. Das geht zum Beispiel anhand der Schreibgewohnheiten, die sich in vielen Tagebüchern wiederfinden. Ein Tagebuch führt selten minutiös durch den Tag, sondern beinhaltet Dinge, die für den Schreiber oder die Schreiberin eine besondere Bedeutung haben. Man notiert Geschehnisse von emotionaler Bedeutung (Streit, schlechtes Wetter usw.), verschweigt aber Selbstverständlichkeiten und Belangloses.
4. Spielanweisungen richtig lesen
Partituren sind voll von Abkürzungen aller Art. Die meisten von ihnen stehen für bestimmte Spielanweisungen an die Musikerinnen und Musiker. Sie können Dynamik- oder Tempo-Informationen beinhalten oder auf Charaktereigentschaften des Spiels hinweisen. Ein paar dieser italienischen Begriffe können zum Beispiel:
- Staccato (Punkt über oder unter der Note): Kurze, abgehackte Note
- Legato (Strich über oder unter der Note): Noten werden ohne Unterbrechnung dicht aneinander gespielt
- Forte (f): Laut spielen
- Piano (p): Leise spielen
- Allegro: Bezeichnung für ein rasches oder lebhaftes Tempo
- Dolce: Diese Vortragsbezeichnung zeigt an, dass eine Passage lieblich und weich gespielt werden soll
5. Blockweises vs selektives Lesen
Oft bestehen blockhaften Gebilde in Partituren aus Unisono-Figuren (= alle Stimmen spielen dasselbe), wie z.B. am Beginn der Jupiter-Symphonie von Mozart oder einem homophonen Satz (= alle Stimmen spielen den gleichen Rhythmus). Hier kann man sich beim Lesen zunächst nur auf den Streicherblock beschränken, der die Melodie weiterführt und bereits alle wichtigen Informationen enthält.
Beim selektiven Lesen von Partituren orientiert man sich anhand ausgewählter Stimmen (führende Stimmen, auffällige Stellen) in der Partitur. In Beethovens 7. Symphonie in A-Dur ist hierzu das Sechzehntelmotiv geeignet, das zweimal von den Celli und Bässen ausgehend durch die Streicherstimmen wandert. Die Liegetöne der Bläser, die in den T. 358-363 sogar nur aus dem Ton e in unterschiedlichen Oktavlagen bestehen, bilden die harmonische Grundierung und spielen beim Lesen der Partitur eine untergeordnete Rolle. Man nimmt sie kurz wahr, verfolgt jedoch die Streicher und dort insbesondere das auffällige Sechzehntelmotiv in seiner Wanderung durch die einzelnen Stimmen.
Bei beiden Leseformen, zwischen denen man übrigens je nach Beschaffenheit der Stelle wechseln sollte, kommt es am Anfang nicht darauf an, sofort alle Töne und Harmonien verfolgen zu können. Viel wichtiger ist es, Bewegungsabläufe zu erkennen und nachzuvollziehen. Alles Weitere kommt mit der Erfahrung.
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