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Werk der Woche – Chaya Czernowin: Heart Chamber

Am 15. November wird die Deutsche Oper Berlin das neue Bühnenwerk Heart Chamber von Chaya Czernowin zur Uraufführung bringen. Die musikalische Leitung übernimmt Johannes Kalitzke, die Inszenierung stammt von Claus Guth. Als Solisten wirken Patrizia Ciofi, Noa Frenkel, Dietrich Henschel und Terry Wey mit. Heart Chamber entstand als Kompositionsauftrag der Deutschen Oper, das Libretto stammt ebenfalls von der Komponistin.

Czernowin beschreibt ihr neues Werk als Andeutung einer Geschichte zweier Charaktere. Es geht in Heart Chamber um das Sich-Verlieben zweier Fremder und die körperlichen und seelischen Veränderungen, die mit dieser Entwicklung einhergehen: Sehnsucht nach Nähe, gleichzeitig der Wunsch nach Unabhängigkeit; die Chance, die Einsamkeit des Einzelnen mit seelischer Verbundenheit zu überwinden. Jedoch sei diese Chance ebenso verheißungsvoll wie gefährlich, für die Involvierten stehe viel auf dem Spiel. Die Komponistin nennt Heart Chamber eine „Verkettung von Situationen, Träumen, verknoteten Momenten“, bei der die Seelenlandschaft des Liebespaars einem „tektonischen Wandel“ unterworfen sei.
Dieses Projekt ist ein Aufbruch in eine eigene, feinsinnige Welt. Keines ihrer Stücke ist einfach zu singen, aber die Anstrengung lohnt sich! Sie hat einen mikroskopischen Blick auf Musik, sie erforscht etwa in winzigen Schritten den Übergang vom Sprechen zum Singen. Auch das Ein- und Ausatmen begreift sie als Töne. – Noa Frenkel

Bis zum 6. Dezember werden noch vier weitere Aufführungen in Berlin folgen, geplant ist auch eine Veröffentlichung auf DVD und Blu-ray. Am 24. November wird das Ensemble ilinx an der Universität der Künste Berlin die beiden Stücke Lovesong und Ayre: Towed through plumes, thicket, asphalt, sawdust and hazardous air I shall not forget the sound of  spielen.

Foto: Chaya Czernowin & Christopher McIntosh

Werk der Woche – Aribert Reimann: L’Invisible

Mit seinem neuen Bühnenwerk L’Invisible kreiert Aribert Reimann ein mysteriöse  unerklärliche Atmosphäre von Angst und Bedrohung. Die Uraufführung dieser „Trilogie lyrique“ ist ab dem 8. Oktober an der Deutschen Oper Berlin in der Inszenierung von Vasily Barkhatov zu sehen. Donald Runnicles dirigiert das Werk nach der Vorlage dreier kurzer Stücke von Maurice Maeterlinck, die Reimann auf vielfältige Weise musikalisch und inhaltlich miteinander verflochten hat.



Als Reimann in den achtziger Jahren eine Aufführung von Maeterlincks L’Intruse, Intérieur und Les Aveugles auf der Berliner Schaubühne sah, spürte er  den Drang, eines Tages eine Oper daraus zu formen. Es vergingen aber rund dreißig Jahre, bis aus der Idee Realität wurde. Mit der Wahl von La Mort de Tintagiles als drittes Stück anstelle von Les Aveugles schafft Reimann eine inhaltliche Verbindung der Teile durch einen Jungen, der in allen drei Stücken vorkommt.

Aribert Reimann – L’Invisible: Leben mit dem Tod


In L’Intruse wartet eine Familie auf einen Arzt, der die im Kindbett erkrankte Tochter behandeln soll. Doch bevor dieser ankommt, bemerkt der blinde Großvater als einziger die Anwesenheit des Todes. Das ganze erste Stück wird nur von Streichern begleitet, bis zum Schluss mit dem Einsetzen der Holzbläser der erste Schrei des Kindes erklingt und die Mutter ihren letzten Atemzug tut. Drei Countertenöre verkörpern die – bis kurz vor Schluss – unsichtbaren Todesboten, durch die Reimann das Gefühl des ständig präsenten Todes vermittelt.

Der Komponist beschränkt die Instrumentation in Intérieur auf die Holzbläser. Gemeinsam mit dem Großvater und einem Fremden blickt das Publikum durch ein Fenster auf die Familie. Da berichtet der Fremde, dass er die ertrunkene älteste Tochter aus dem Fluss gezogen hat. Als der Alte der Familie die Nachricht überbringen will, imitieren die beiden Mädchen im Zimmer schon vorausahnend die Melodie, die vorher die Countertenöre gesungen haben. Auf der Bühne verbleibt einzig der kleine Junge, der im dritten Stück zu Tintagiles wird. In La Mort de Tintagiles setzt Reimann erstmals das ganze Orchester ein. Eine alte Königin lässt alle potentiellen Erben umbringen. Aus Angst, sie könnte es auch auf Tintagiles abgesehen haben, versuchen dessen Schwestern vergeblich ihn zu beschützen. Die Countertenöre treten am Ende als Henker der Königin auf die Bühne. Reimann schließt das Werk mit dem Anfang von L‘Intruse, als ob der Kreislauf von vorne begänne.
Seitdem der Mensch lebt, lebt er auch mit dem Tod. Maeterlinck hat das in drei Bilder gefasst. Im dritten wird jemand entführt und umgebracht. Jeden Tag werden Menschen auf irgendeinen Befehl hin ermordet. Jemand fährt in eine Menschenmenge, und wir wissen nicht, wer die Auftraggeber sind. Sie sind unsichtbar, so wie hier. – Aribert Reimann

Reimann schrieb sowohl eine französische als auch eine deutsche Fassung des Librettos. Die Uraufführung findet in französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln statt. Nach der Premiere am 8.10. werden weitere Vorstellungen am 18.10., 22.10., 25.10. und am 31.10. gegeben.


Szenenfoto: Deutsche Oper Berlin / Bernd Uhlig

Werk der Woche: Aribert Reimann - Die Gespenstersonate

In Berlin ist Aribert Reimann in diesem Jahr allgegenwärtig; an allen drei großen Opernhäusern stehen Neuinszenierungen seiner Opern auf dem Programm. Am 25. Juni 2017 feiert Die Gespenstersonate an der Staatsoper im Schiller Theater in einer Inszenierung von Otto Katzameier Premiere. Die Staatskapelle Berlin spielt unter der Leitung von Michael Wendeberg im Rahmen des INFEKTION! Festivals für neue Musik.



Reimanns Oper Medea aus dem Jahr 2010 wird aktuell an der Komischen Oper gespielt. Im Herbst 2017 folgt die Uraufführung des neuen Musiktheater-Triptychons  L’invisible an der Deutschen Oper. Mit Die Gespenstersonate an der Staatsoper wird die Berliner Reimann-Reihe vervollständigt: Eine Anerkennung, die in dieser Form nur wenigen Komponisten zuteilwurde.

Wie schon Reimanns erste Oper Ein Traumspiel ist auch Die Gespenstersonate von 1984 aus einem Text des schwedischen Schriftstellers August Strindberg entstanden. Der Student Arkenholz, der die Gabe besitzt Tote zu sehen, wird von Direktor Hummel in das Haus des Obersts eingeführt, um dort um die Tochter des Hauses, das Fräulein, zu werben. Bei einem grotesken "Gespenstersouper" mit den Jahr für Jahr gleichen Gästen offenbaren sich Verstrickungen und düstere Geheimnisse. Mit der Frau des Obersts, der Mumie, die nunmehr im Wandschrank lebt, hatte Direktor Hummel einst eine Liaison, aus der das Fräulein hervorgegangen ist. Da Direktor Hummel den Mord an einem Milchmädchen begangen hat, wird er von der Mumie dazu verurteilt, sich im Schrank zu erhängen. Auch der Oberst ist nicht das, was er vorgibt zu sein: Er ist weder adelig, noch war er beim Militär. Selbst das unschuldige Fräulein ist krank und verkraftet die Realität nicht, mit der Arkenholz sie konfrontiert. Er selbst bleibt allein und desillusioniert zurück.

Die Gespenstersonate von Aribert Reimann: Eine Illusion zerbricht


Die Bewohner des Hauses geben sich den Anschein einer feinen Gesellschaft, zu der der Student Arkenholz Zugang begehrt. Innerhalb des Hauses sind die Personen in ihren Trugbildern gefangen, verdammt auf ewig in gleicher Routine zu leben. Direktor Hummel, obgleich von der Mumie letztlich zum Tode verurteilt, bricht durch die Einführung von Arkenholz mit der Tradition des immer gleichen Gespenstersoupers. Entsprechend kraftvoll und variabel ist sein musikalischer Ausdruck. Meist von tiefen Instrumenten wie Kontrabass, Fagott oder Bassklarinette begleitet, versucht er die Geschichte in seinem Interesse zu lenken. Die Mumie hingegen ist kraftlos, ihre Stimme brüchig, ihr Text immer wieder unterbrochen. Erst als sie über Hummel richtet, findet sie zu längst vergangener Vitalität zurück. Das charakteristische Instrument für den Oberst ist die Trompete. Diese soll die Illusion aufrecht erhalten, die er mit der Lüge über seinen militärischen Hintergrund geschaffen hat. Zart und zerbrechlich kommt der Sopran des Fräuleins, begleitet von der Flöte, daher. Sie ist von dem Netz aus Lügen, das sie umgibt, eingenommen und bereits fast in die Gespensterwelt entrückt.
In jeder Oper sollte jede Person ihre eigene Art des Singens haben, jeder hat sein eigenes Psychogramm, seine ihm eigene Art sich zu äußern. Das muss in der Strukturentwicklung der Singstimme angelegt sein, ebenso das musikalische Umfeld, das die betreffende Person umgibt. – Aribert Reimann

Nach der Premiere ist Die Gespenstersonate zwischen dem 27. Juni und dem 9. Juli noch in sechs weiteren Aufführungen auf der Werkstattbühne an der Staatsoper im Schiller Theater zu erleben.

 

Foto: © Wolfgang Runkel (Inszenierung der Oper Frankfurt)